Über das Projekt
Die COVID-19-Pandemie hat die wichtige Rolle der genomischen Charakterisierung von Krankheitserregern für das Pandemie-Management, Infektionsprävention und -kontrolle sowie die individuelle Patientenversorgung gezeigt. Sie ermöglicht Erkenntnisse über die Biologie, Evolution und Übertragung von Infektionserregern und verbessert die Wahrnehmung von Übertragungen, Übertragungsketten, Clustern und Ausbrüchen; sie trägt zur Prävention von nosokomialen, also im Kontext einer medizinischen Behandlung erworbenen, Infektionen bei.
Im Gegensatz zu z. B. den Niederlanden und Großbritannien steht die Nutzung der genomischen Erreger-Surveillance in Deutschland noch am Anfang. Innerhalb von GenSurv soll daher eine Infrastruktur für die genomische Erreger-Surveillance in Kooperation mit dem RKI in Deutschland etabliert werden.
Das wichtigste im Überblick
Unsere Vision
Wir überwachen die Evolution und Verbreitung von bakteriellen und viralen Krankheitserregern in Deutschland und tragen damit zum Schutz der Bevölkerung vor Infektionskrankheiten bei. In enger Kooperation mit dem Robert Koch-Institut stärkt GenSurv die Handlungskompetenz der relevanten Stakeholder in endemischen, epidemischen, pandemischen und Ausbruchs-Situationen und verknüpft die Expertisen der Universitätsmedizin, der Wissenschaft und des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Wir unterstützen politische Entscheidungsprozesse und die Öffentlichkeit durch das Bereitstellen relevanter Informationen und Analysen.
Die Ganzgenomsequenzierung kann das genetische Repertoire von Infektionserregern mit maximaler Auflösung (d. h. auf Ebene einzelner Nukleotide) aufschlüsseln und so z. B. die genetische Basis von erhöhter Übertragbarkeit, Krankheitspotential oder Medikamenten-Resistenz aufzeigen; sie kann entscheidende Informationen für Diagnose, Therapie und die Entwicklung von Impfstoffen liefern, Einblicke in die Stammesgeschichte von Erregern ermöglichen und - in Kombination mit der aufsuchenden Epidemiologie - Übertragungsdynamiken in geographischen und zeitlichen Dimensionen abbilden.
Der effektive Nutzen der Erreger-Sequenzierung ist jedoch von einer Reihe von Faktoren abhängig, die u.a.
- die Verfügbarkeit und den Einsatz von geeigneten Beprobungsstrategien
- die nachgeschaltete Datennutzung
- eine Integration mit der phänotypischen Charakterisierung (Charakterisierung aller Merkmale eines Organismus)
- ein kollaboratives, abgestimmtes und vernetztes Vorgehen inklusive Standardisierung
beinhalten.
Für diese Faktoren werden im Rahmen von GenSurv und in enger Interaktion mit dem Robert Koch-Institut effiziente, effektive und nachhaltige Lösungen bereitgestellt.
Gemeinsam mit dem Robert Koch-Institut unter Einbezug weiterer Expert:innen entwickeln wir ein nationales Netzwerk für die genomische Erreger-Surveillance, in dem wir für die Surveillance relevante Strategien, Technologien und Expertisen effizient zusammenführen, bewerten, (weiter-)entwickeln und zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung stellen. Dazu gehören insbesondere Strategien zur Auswahl und Beprobung relevanter Infektionserreger, der Aufbau einer Daten-Infrastruktur zur Speicherung und Analyse von Infektionserreger-Sequenzierungsdaten sowie eine Verknüpfung dieser Daten mit ausgewählten Informationen zum Verhalten des Erregers und dem Kontext, in dem die Infektion erfolgte. Diese kombinierte Infrastruktur ist grundsätzlich skalierbar und international anschlussfähig konzipiert. Flankierend werden Kommunikationstools und eine Informationsplattform zur Förderung von Interaktion und Wissensaustausch zwischen den relevanten Stakeholdern aufgebaut. Unsere Infrastruktur basiert auf Institutions-, Sektoren- und Professionen-übergreifender und überregionaler vertrauensvoller Zusammenarbeit. Wir kooperieren mit anderen Infrastrukturen und Initiativen innerhalb und außerhalb des Netzwerk Universitätsmedizin. Die Prinzipien der Offenheit, Kollaboration, Qualitätssicherung und Effizienz gemäß der FAIR-Prinzipien stellen die Basis unseres Arbeitens dar.
In der bisherigen Laufzeit von GenSurv konnten bereits wichtige Fortschritte beim Aufbau eines nationalen, koordinierten und adaptiv-skalierbaren Netzwerks zur genomischen Surveillance in Deutschland gemacht werden.
Die technischen Hauptkomponenten der GenSurv-Infrastruktur sind online. Darunter sind der CoGDat-Data Hub sowie MicroReact-basierte visuelle Analysen der in Deutschland zirkulierenden Virusstämme, Werkzeuge zur Analyse der Abstammung dieser sowie statistische Analyseergebnisse. Zudem werden Schnittstellen der Infrastruktur für die Gesundheitsämter bereitgestellt. Diese Schnittstellen können genutzt werden, um die Veränderung der SARS-CoV-2-Genome auf der Ebene einzelner Mutationen im Laufe der Zeit zu charakterisieren und Hypothesen über Infektionsketten aufzustellen (doi: 10.1093/cid/ciab588, doi: 10.2807/1560-7917.ES.2022.27.43.2101089). Darüber hinaus können jetzt Rohdaten von teilnehmenden Universitätskliniken oder privaten Labors hochgeladen werden.
Im Rahmen eines Expertenworkshops wurde die Grundlage für eine Strategie zur Etablierung einer genomischen Erreger-Surveillance in Deutschland gelegt. Daraus hat sich ein ständiges Expertengremium entwickelt, das sich aus Fachleuten des Robert Koch-Instituts sowie anderer Institutionen und Organisationen aus den Bereichen Bioinformatik, Genomik, Mikrobiologie, Virologie, Hygiene, Infektiologie, Infektionsprävention und -bekämpfung, Epidemiologie und Öffentlicher Gesundheitsdienst zusammensetzt, darunter auch Leitungen von Nationalen Referenzzentren und Konsiliarlaboratorien. Ein White Paper wurde gemeinsam verfasst und dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) vorgelegt. Außerdem wurden zwei wissenschaftliche Positionspapiere veröffentlicht (https://rdcu.be/diwIF, rdcu.be/diwIH). Die Publikationen unterstreichen die Notwendigkeit, ein Netzwerk zur genomischen Erregerüberwachung in Deutschland für pandemische und interpandemische Zeiträume aufzubauen. Sie skizzieren Vorschläge für den Aufbau eines effizienten, anpassungsfähigen und reaktionsschnellen Netzwerks unter Berücksichtigung externer Rahmenbedingungen und interner Standards. Diese werden im nächsten Schritt im Rahmen eines gemeinsamen Symposiums von GenSurv und Robert Koch-Institut mit den genannten Expert:innen und einem breiteren Kreis von Stakeholdern aus Politik, Wissenschaft, Public Health und Fachverbänden weiterbearbeitet.
GenSurv trägt damit entscheidend zu einer Infrastruktur bei, die für eine erfolgreiche Überwachung von Infektionserregern und die entsprechende Entwicklung von Maßnahmen in pandemischen und interpandemischen Zeiten unverzichtbar ist.
Aktuelles
Highlights
Perspektivenpapier zur Etablierung der Genomischen Erreger-Surveillance in Deutschland im Journal Infection erschienen
Am 02.05.2023 ist auf Grundlage des Positionspapiers zur Etablierung eines Netzwerkes für Genomische Erreger-Surveillance (GES) ein Beitrag im englischsprachigen Journal Infection erschienen. An appeal for strengthening genomic pathogen surveillance to improve pandemic preparedness and infection prevention: the German perspective geht aus der Zusammenarbeit von Expert:innen aus GenSurv, aus dem Robert Koch-Institut (RKI) sowie aus weiteren Institutionen und Organisationen der Bioinformatik, Genomik, Mikrobiologie, Virologie, Infektiologie, Hygiene und Infektionsprävention, Epidemiologie und dem Öffentlichen Gesundheitsdienst, inklusive Leiter:innen von Referenz- und Konsiliarlaboratorien hervor.
Der Beitrag fokussiert sich auf Best-Practices und Lessons learned aus dem Vereinigten Königreich und der Niederlande und überträgt diese auf Deutschland.
Positionspapier zur Etablierung der Genomischen Erreger-Surveillance in Deutschland im Bundesgesundheitsblatt erschienen
Am 22.02.2023 ist ein Positionspapier zur Etablierung der Genomischen Erreger-Surveillance (GES) im Bundesgesundheitsblatt erschienen. Dieses geht aus der Zusammenarbeit von Expert:innen aus GenSurv, aus dem Robert Koch-Institut (RKI) sowie aus weiteren Institutionen und Organisationen der Bioinformatik, Genomik, Mikrobiologie, Virologie, Infektiologie, Hygiene und Infektionsprävention, Epidemiologie und dem Öffentlichen Gesundheitsdienst, inklusive Leiter:innen von Referenz- und Konsiliarlaboratorien hervor.
Ziele der vorliegenden Arbeit sind die Verdeutlichung der Dringlichkeit und Skizzierung von Vorschlägen zur Etablierung eines effizienten, anpassungsfähigen und reaktionsbereiten GES-Netzwerkes unter Berücksichtigung von externen Rahmenbedingungen und internen Standards. Die erarbeiteten Vorschläge basieren auf der Grundlage globaler und länderspezifischer Best Practices und Strategiepapiere. Zu den konkreten nächsten Schritten zur Realisierung einer integrierten GES zählen die Ermöglichung der Verknüpfung epidemiologischer Daten mit Genomdaten der Erreger, die gemeinsame und koordinierte Nutzung von vorhandenen Ressourcen, die Nutzbarmachung der so gewonnenen Surveillance-Daten für relevante Entscheidungstragende, den Öffentlichen Gesundheitsdienst und die wissenschaftliche Gemeinschaft sowie die Einbindung aller Stakeholder. Der Aufbau eines GES-Netzwerkes ist essentiell für die kontinuierliche, stabile, aktive Überwachung des Infektionsgeschehens in Deutschland sowohl während pandemischer Phasen als auch außerhalb dieser.
Erfolgreiche Anwendung der Genomischen Erreger-Surveillance in Düsseldorf zur Nachverfolgung von SARS-CoV-2-Übertragungsketten in der Bevölkerung
Im Rahmen von GenSurv und MolTrax konnte die erfolgreiche Anwendung des integrierten genomischen Surveillance in Düsseldorf zur Verfolgung von SARS-CoV-2-Übertragungsketten in der Bevölkerung sowie zur Erkennung und Untersuchung von reiseassoziierten SARS-CoV-2-Infektionsclustern demonstriert werden. Ein Artikel dazu wurde Ende im Oktober 2022 in dem Fachjournal Eurosurveillance veröffentlicht.
„Wo stecken sich die Menschen eigentlich an?“ Dieser Frage versuchen sich im Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) aktive Düsseldorfer Forscher:innen seit Beginn der Corona-Pandemie mit modernen Methoden der genomischen Epidemiologie anzunähern. In einer aktuellen Publikation zeigen die Wissenschaftler:innen nun, dass das von ihnen entwickelte Düsseldorfer System der „integrierten genomischen Surveillance“ tatsächlich das Zurückverfolgen von Infektionsketten in der Bevölkerung ermöglicht – und damit Rückschlüsse erlaubt z. B. über die Rolle von Reiserückkehrern im Infektionsgeschehen. Zuverlässige Daten über die Ausbreitung von Krankheitserregern in der Bevölkerung sind nicht nur von wissenschaftlichem Interesse, sondern auch für die Infektionsprävention – also das Verhindern von Infektionen, z. B. durch gezielte Gegenmaßnahmen – hochgradig relevant. Im Düsseldorfer System werden dabei moderne genomische Methoden kombiniert mit klassischer Epidemiologie und Kontaktnachverfolgungsdaten des Düsseldorfer Gesundheitsamtes, um Infektionsketten besser nachvollziehen zu können.
Expert:innen-Workshop zur Zukunft der Genomischen Erreger-Surveillance in Deutschland
Am 06.07. und 07.07.2022 fand ein gemeinsamer Workshop von GenSurv und dem Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin statt. Teilnehmende waren Expert:innen aus GenSurv und dem RKI sowie aus weiteren Institutionen und Organisationen der Bioinformatik, Genomik, Mikrobiologie, Virologie, Infektiologie, Hygiene und Infektionsprävention, Epidemiologie und Öffentlichem Gesundheitsdienst inklusive Leiter:innen von Referenz- und Konsiliarlaboratorien. An den zwei Tagen wurde die Basis für eine gemeinsame Strategie für die Genomische Erreger-Surveillance in Deutschland gelegt. Ein White Paper wurde gemeinsam verfasst und dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) vorgelegt.