Über das Projekt
Aufbau eines wissenschaftlichen Expert*innen-Netzwerks zur Erfassung sozialer und kontextueller Faktoren im Bereich der Pandemieforschung. Durch die Bündelung der Methodenkompetenzen können Auswirkungen kontextueller Faktoren auf das Erkrankungsrisiko, den Erkrankungsverlauf und den gesellschaftlichen Umgang mit der Pandemie analysiert werden.
Die Erkenntnisse wurden in neue Präventionsansätze und klinische Therapiekonzepte einfließen und zum Schutz vulnerabler Bevölkerungsgruppen eingesetzt.
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Das wichtigste im Überblick
Die COVID-19-Forschung stand vor der Herausforderung, soziale und kontextbezogene Faktoren, die auf vielfältige Weise mit COVID-19-Erkrankungen zusammenhängen, in die Forschung einzubeziehen. Genuines Ziel des Methodennetzwerks war die Unterstützung der Forschungsverbünde im Netzwerk Universitätsmedizin bei der Identifikation, Erhebung, Auswertung und Interpretation von sozialen und kontextuellen Basisdaten – sowohl in bevölkerungsbezogenen, als auch in patient*innenbezogenen klinischen Studien – sowie die Bereitstellung medizinhistorischen und -ethischen Orientierungswissens, um direkte Lehren aus den aktuellen Entwicklungen zu ziehen. Von großer Bedeutung sind soziodemographische, berufliche, umwelt- und versorgungsbezogene sowie kulturelle und geistesgeschichtliche Faktoren, zu denen in diesem Projekt themenspezifisch Arbeitsgruppen aufgebaut wurden:
Soziodemographie
Um die Gefährlichkeit von Pandemien unmittelbar abschätzen zu können und Gegenmaßnahmen zielgruppenspezifisch auszurichten, sind grundlegende Analysen entlang zentraler Populationscharakteristika von Bedeutung. Soziodemographische Basisdaten wie Geschlecht, Familienstand, Bildung oder Einkommen spielen dabei eine zentrale Rolle, da sie als Begleiterhebung in bevölkerungs- und patient*innenbezogenen Studiendesigns aufwandsarm erhoben werden können, um so eine effiziente Datenbasis zur Abschätzung der sozialen Verteilung von Infektionskrankheiten sowie Möglichkeiten für thematische Spezialuntersuchungen zu schaffen.
Berufliche Faktoren
In den Universitätskliniken werden berufstätige Menschen medizinisch versorgt, deren Tätigkeit und berufliches Umfeld entscheidend Ansteckungsrisiko, Verlauf und Rehabilitation bzw. Rückkehr an den Arbeitsplatz beeinflussen. Arbeitsinhalte und -abläufe bestimmen das Infektionsrisiko und wie gut infektionspräventive Arbeitsschutzmaßnahmen greifen. Beispielsweise bewirkt der Faktor Zeitdruck die Vernachlässigung von infektionspräventiven Arbeitsschutzmaßnahmen. Die Erfassung und Berücksichtigung von beruflichen Faktoren in der COVID-19-Pandemie, ebenso wie in möglichen zukünftigen Pandemien, trägt wesentlich zur Leistungsfähigkeit der Universitätsmedizin in der Forschung und in der Versorgung der Patient*innen bei.
Umweltfaktoren
Die Rolle der Luftverschmutzung bei der Ausbreitung und der Virulenz von SARS-CoV-2 hat in der internationalen Presse erhebliche Aufmerksamkeit erregt. Sowohl in Deutschland als auch international fällt eine Häufung von schweren COVID-19-Verläufen in Populationen mit einer hohen Luftverschmutzung auf. Als biologischer Wirkungsmechanismus von Luftverschmutzung wird unter anderem eine Schwächung der Abwehrkräfte in den oberen Atemwegen konstatiert, die vor allem durch eine Störung der mukoziliären Reinigung bedingt ist und hierdurch zu einer erhöhten Infektanfälligkeit, auch gegenüber SARS-CoV-2, führen kann.
Versorgungsbezogene Faktoren
Gesundheitskompetenz ist in der Gesellschaft sozial ungleich verteilt. Die (Nicht-)Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen während der COVID-19-Pandemie (sowohl COVID-19-assoziiert als auch wegen anderer gesundheitlicher Belange) ist ein wichtiger Faktor von verspäteten Hospitalisierungen von COVID-19-Erkrankten. Neben der Häufigkeit und Wahl von Kontakten zu Ärzt*innen vor der Hospitalisierung ist hier die Nicht-Inanspruchnahme trotz Symptomatik entscheidend. Weiterhin kann durch die Erfassung der Inanspruchnahme abgebildet werden, welche indirekten gesundheitlichen Folgen sich durch die Pandemie ergeben, z. B. durch abgesagte Vorsorge- und Behandlungstermine von chronisch kranken Menschen.
Geschichte und Ethik
In Diskussionen um den Umgang mit und die Bewältigung von COVID-19 wurden von Beginn an medizinhistorische und -ethische Fragen aufgeworfen, die darauf abzielten, den gesellschaftlichen Umgang mit der Pandemie zu verstehen und medizinethische Problemlagen wie die einer gerechten Versorgung von Betroffenen frühzeitig zu diskutieren. Die gegenwärtigen Debatten über die Rechts- und Wertegrundlagen unserer Gesellschaft lassen es notwendig erscheinen, das aktuelle Geschehen grundsätzlich zu historisieren und die begonnenen Wertedebatten weiter zu führen. Die aktuellen Verhältnisse und Handlungsmöglichkeiten sollten in ihrem historischen Entstehungskontext gedeutet werden, um direkt Handlungsoptionen für die Zukunft ableiten können.
Vor dem Hintergrund der übergeordneten Ziele des Netzwerks Universitätsmedizin hatte dieses Projekt drei Zielsetzungen:
- Die Methodenkompetenz wurde zu den oben beschriebenen sozialen und kontextuellen Faktoren in der Pandemieforschung an den Universitätskliniken gebündelt und über eine virtuelle Austauschplattform vernetzt. Darüber hinaus wurde der Austausch mit Forschungsinstitutionen außerhalb der Universitätsmedizin organisiert.
- Die vielfältigen Forschungsprojekte des Netzwerks wurden konkret bei der Erhebung und Auswertung von sozialen und kontextuellen Basisdaten unterstützt. Insbesondere wurde ein Set an skalierbaren Best-Practice-Fragebögen zusammengestellt, um soziale und kontextuelle Faktoren valide, schnell und aufwandsarm zu erfassen. Diese Fragebögen wurden dem Netzwerk zur Verfügung gestellt. Daneben wurde ein Beratungskonzept entwickelt, um die einzelnen Forschungsprojekte im Forschungsnetzwerk bei der Erhebung und Auswertung zu unterstützen.
- Das Projekt schaffte, neben der kurzfristigen Unterstützung durch die Etablierung einer auch über den Förderzeitraum schnell reaktivierbaren virtuellen Vernetzungsplattform, langfristige Strukturen. Diese Strukturen sollen sicherstellen, dass handlungsrelevante Forschung zu sozialen und kontextuellen Faktoren auch bei zukünftigen Epidemien oder anderen fundamentalen Krisen durchgeführt werden kann. Das Methodennetzwerk zielte also letztlich auf die Schaffung einer agilen, ressourcensparenden aber gleichwohl schnell reaktivierbaren Struktur ab.
Durch die Kooperation mit externen Forschenden aus dem bestehenden „Kompetenznetz Public Health“ sollten zusätzliche methodische Kompetenzen eingebunden und weitere Möglichkeiten geschaffen werden, um zentrale Public Health Forschungsergebnisse publik zu machen.
Mit dem Verbundprojekt MethodCOV wurde ein Netzwerk zu Forschungsmethoden für die Erfassung sozialer, kontext- und kulturspezifischer Faktoren im Bereich der Pandemieforschung aufgebaut.
Wichtiges Produkt von MethodCOV sind die Best Practice-Erhebungsinstrumente, die modular aufgebaut sind und die eine valide, aufwandsarme und zwischen den verschiedensten Forschungsprojekten vergleichbare Erfassung sozialer und kontextualer Faktoren in der COVID-Forschung ermöglichen. Eingesetzt wurden die MethodCOV-Fragebögen u. a. bereits in der sektorenübergreifenden Plattform des NAPKON-Projekts und in wissenschaftlichen Studien. Methodische Beratung und die Best Practice-Erhebungsinstrumente wurden auf Nachfrage über unsere Webseite und der Austauschplattform oder per E-Mail für alle Forschungsprojekte zur Verfügung gestellt.
Es entstanden bis dato zahlreiche Projekte und Publikationen mit Nennung von MethodCOV. Hier zu nennen sind die Projekte SERODUS (gefördert vom MAGS Land NRW) und Beyond COVID (MKW Land NRW). Produkte von MethodCOV sind des Weiteren wissenschaftliche Publikationen, die mit Beteiligung von MethodCOV erarbeitet wurden, z. B.
- Backhaus et al. (2021): Under-ascertainment of COVID-19 cases among first responders: a seroepidemiological study > mehr
- Backhaus & Dragano (2021): Seroprävalenz COVID-19 Düsseldorf: SERODUS I & II > mehr
- Bitzer et al. (2021): „… oder doch lieber daheimbleiben?“ – Unterstützung bei der Entscheidung zur Inanspruchnahme der Regelversorgung während der COVID-19-Pandemie durch Akteure des Gesundheitssystems > mehr
- Dragano et al. (2021): Soziale Ungleichheit in der regionalen Ausbreitung von SARS-CoV-2 > mehr
Die Dissemination von wissenschaftlichen Ergebnissen erfolgte auf mehreren Ebenen: Über die MethodCOV-Plattformen, einer MethodCOV-Informationsveranstaltung (Auftaktkonferenz – Methodcov) und über einen NUM-Newsletter (MethodCOV Newsletter (März 2021) – Methodcov) wurden Forschende im NUM gezielt angesprochen und auf die Beratungstätigkeit von MethodCOV hinsichtlich des Einbezugs von sozialen Faktoren aufmerksam gemacht. Zudem erfolgte der Einsatz sozialer Medien und die Beantwortung vielfältiger Presseanfragen sowie eine Stellungnahme im Bundestag.
Durch das an MethodCOV beteiligte Kompetenznetz Public Health COVID-19 werden laufend eine Vielzahl an Fact Sheets und Policy Paper veröffentlicht und kontinuierlich aktualisiert.